Die Eisenbahnen der Wetterau (aktualisierter Bericht aus Drehscheibe, Heft 127 bis 129 [3-5/98])

Von Andreas Christopher (Update 12.04.2003)

Die Wetterau, eine sehr fruchtbare Landschaft zwischen Taunus und Vogelsberg nordöstlich von Frankfurt, erhielt ihren Namen vom Flüßchen Wetter, welches bei Laubach am Rand des Vogelsberges entspringt und südlich Friedberg in die Nidda mündet. Das Gebiet weist ein sehr interessantes Eisenbahnnetz auf. Wichtigste Bahnstrecke ist die Main-Weser-Bahn, die auf ihrem Abschnitt zwischen Frankfurt, Bad Vilbel, Friedberg, Butzbach und Gießen die westliche Wetterau durchquert. Dann existiert die für den Güterverkehr wichtige Bahnlinie von Hanau über Heldenbergen-Windecken nach Friedberg. Eine untergeordnete Hauptbahn ist die Lahn-Kinzig-Bahn von Gießen über Lich, Hungen, Nidda, Stockheim nach Gelnhausen. Als Hauptbahn wird weiterhin die Bahnlinie von Friedrichsdorf nach Friedberg betrieben. Echte Nebenbahnromantik kann man auf den von Friedberg ausgehenden Strecken über Beienheim nach Nidda und Hungen antreffen, wobei letztere noch bis vor wenigen Jahren eine bis Laubach im Güterverkehr betriebene Fortsetzung aufwies. Die Niddertalbahn von Bad Vilbel über Heldenbergen-Windecken nach Stockheim hat heute im Berufsverkehr nach Frankfurt erhebliche Bedeutung. Und schließlich existiert mit den von Bad Nauheim und Butzbach ausgehenden Strecken der Butzbach-Licher Eisenbahn der Rest eines einstmals stolzen Privatbahnnetzes.

Hier stelle ich diese Bahnen vor und gehe auf die Geschichte, den Betrieb, den Fahrzeugeinsatz und die heutige Bedeutung dieser Bahnen ein.
 

1. Die Main-Weser-Bahn

Ab 1838 war eine Bahnverbindung von Frankfurt über Gießen und Marburg nach Kassel geplant. Aber erst am 6. Februar 1846 wurde ein Staatsvertrag zwischen der freien Reichsstadt Frankfurt, dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt und dem Kurfürstentum Hessen unterzeichnet, so daß mit dem Bahnbau begonnen werden konnte. Am 10. März 1850 konnte der Betrieb zwischen Frankfurt und Friedberg, am 1. Dezember 1850 bis Butzbach, am 1. Mai 1851 bis Lang-Göns und am 15. Mai 1852 bis Gießen aufgenommen werden.

Wegen des zunehmenden Verkehrs wurde die Strecke zwischen 1863 und 1865 zweigleisig ausgebaut. Im Jahre 1913 wurde der zu klein gewordene Bahnhof Friedberg durch die etwas weiter südlich gelegene und noch heute bestehende Bahnhofsanlage ersetzt. Im Jahre 1963 konnte der elektrische Betrieb zwischen Frankfurt und Friedberg aufgenommen werden, 1965 folgte der Abschnitt bis Gießen.

Die Main-Weser-Bahn hatte damals wie heute sehr große Bedeutung im Nord-Süd-Verkehr. Zwischen Frankfurt und Friedberg gibt es einen sehr starken Berufsverkehr, seit 1978 verkehrt hier die S-Bahn. Der Abschnitt zwischen Frankfurt und Bad Vilbel erhält in den nächsten Jahren ein drittes Gleis für den S-Bahn-Betrieb. Ein Teil der Güterzüge meidet den Knoten Frankfurt und wird über Hanau und Friedberg auf die Main-Weser-Bahn nach Gießen geführt. In Gießen trennen sich die Verkehrsströme wieder, einmal in den Ast über Wetzlar und Siegen nach Köln bzw. Hagen, zum anderen weiter auf der Main-Weser-Bahn über Marburg nach Kassel. Seit der 1991 erfolgten Inbetriebnahme der Neubaustrecke (Würzburg -) Fulda - Kassel (- Göttingen - Hannover) ist der hochwertige Reisezugverkehr von der Main-Weser-Bahn abgewandert, trotzdem ist sie mit zwei Inter-Regio-Linien sowie starkem regionalen Reiseverkehr und dem umfangreichen Güterverkehr sehr gut ausgelastet.

Der Triebfahrzeugeinsatz gestaltet sich sehr abwechslungsreich. Im Güterverkehr kann man alle hierfür gängigen Ellok-Baureihen der DB (140, 150, 151, 155) antreffen. Im Regional- und Fernverkehr findet man die Baureihen 101, 110, 111, 112 und 120 vor den Zügen. Bis 2001 wurden einige IR-Züge in der Relation Frankfurt - Gießen - Hagen mangels Steuerwagen mit Ellok BR 112 vor und hinter dem Zug gefahren. Im Nahverkehr dominieren zwischen Frankfurt und Friedberg die S-Bahn-Triebwagen der Baureihe 420 und zwischen Friedberg und Gießen die Baureihe 141. Am Wochenende wird ein großer Teil des Nahverkehrs zwischen Friedberg und Gießen von der Triebwagen-Baureihe 628 übernommen. Im Berufsverkehr gibt es durchgehende Züge von Frankfurt über Bad Vilbel Richtung Stockheim oder über Friedberg Richtung Nidda, die auch auf der Main-Weser-Bahn mit Dieselloks der Baureihe 215 (und neuerdings auch Baureihe 218) bespannt werden.

Die Main-Weser-Bahn bietet einige interessante Fotomotive. Das beginnt bereits auf Frankfurter Gemarkung, wo die Bahn zwischen Frankfurter Berg, Berkersheim und Bad Vilbel teilweise unmittelbar neben der Nidda entlangführt. Aber auch zwischen Bad Vilbel und Friedberg gibt es recht reizvolle Fotostellen, teilweise mit alten Bahnwärterhäusern. In Karben zweigte die Anschlußbahn zum  Selzer-Brunnen ab. In Friedberg gab es mit der Aktien-Zuckerfabrik Wetterau und der Firma Schwarz & Ulrich zwei interessante Werksbahnen. Unmittelbar nördlich des Bahnhofs Friedberg ist das 16 Meter hohe Rosental-Viadukt mit seinen "24 Hallen" das markanteste Bauwerk der ganzen Bahn. Im Jahre 1982 wurde als Ersatz ein neues Bauwerk in Betrieb genommen, das alte Bauwerk (unter Denkmalschutz) steht seitdem unbenutzt daneben. Von einem Parkdeck aus lassen sich hier Fotos mit den Brücken im Hintergrund machen. Weitere interessante Fotomotive gibt es bei Nieder-Mörlen, wo die Main- Weser-Bahn schnurgerade neben einer neuen Bundesstraße herführt und wo auch lange Züge problemlos fotografiert werden können. Butzbach bietet mit der Butzbach-Licher Eisenbahn und Werksbahnen auch für die Privatbahnfreunde einiges. Bei Kirch-Göns und Langgöns sowie am Abzweig Gießen-Bergwerkswald gibt es weitere interessante Fotostellen.
 

2. Die Bahnlinie Hanau - Friedberg

Am 1. Dezember 1879 wurde der Streckenabschnitt von Hanau nach Heldenbergen-Windecken in Betrieb genommen, am 15. September folgte, zunächst nur für den Güterverkehr, die Reststrecke bis Friedberg. Genau einen Monat später wurde hier auch der Personenverkehr eingeführt.

Die zweigleisig ausgebaute und seit 1960 elektrifizierte Bahnlinie ist vorwiegend für den Güterverkehr von Bedeutung. Züge aus Richtung Würzburg und Aschaffenburg fahren hier unter Umgehung von Frankfurt weiter in Richtung Siegerland und Ruhrgebiet. Daneben gibt es aber noch einen werktäglichen Nahverkehr im Stundentakt, der im Berufsverkehr zum Halbstundentakt verdichtet ist. Am Samstag nachmittag und Sonntag ist der Zugverkehr eingestellt.

Im Reisezugverkehr wurden bis Mai 2001 Elloks der Baureihe 140 und 141 im Wendezugbetrieb eingesetzt. Seit Sommer 2001 führt die BLE den Reisezugverkehr mit ihren modernen GTW 2/6-Triebwagen durch, wobei aber einige Züge auch mit DB-Triebwagen der BR 628 fahren. Im Güterverkehr werden dagegen alle gängigen Güterzug-Elloks der DB eingesetzt.

Interessante Fotomotive bieten sich in Heldenbergen-Windecken von der Fußgängerbrücke aus sowie bei Kaichen mit dem Schloß Naumburg im Hintergrund. Der Bahnhof Erbstadt-Kaichen liegt einsam mitten im Wald, wird aber von den Reisezügen nicht mehr bedient. Ausgesprochen fotogen ist das Niddaviadukt bei Assenheim, welches sich vormittags von einer Anhöhe und nachmittags vom Friedhof aus gut fotografieren läßt.
 

3. Die Lahn-Kinzig-Bahn Gießen - Gelnhausen

Diese Bahnlinie wurde in Etappen eröffnet: Zum 29. Dezember 1869 wurde der Abschnitt von Gießen über Lich nach Hungen für den Verkehr freigegeben, am 29. Juni 1870 folgte der Abschnitt von Hungen nach Nidda. Am 30. Oktober 1870 war die Teilstrecke zwischen Nidda, Stockheim und Büdingen betriebsbereit, und einem Monat später, am 30. November 1870, wurde die Strecke bis Gelnhausen in Betrieb genommen. Die Bahn verläuft am östlichen Rand der Wetterau und bildet die Grenze der Wetterau zum Vogelsberg hin. Obwohl schon relativ früh eröffnet, hat diese Hauptbahn nie irgendwelche Bedeutung im überregionalen Zugverkehr gehabt, zumal sie in Gelnhausen von Süden her in den Bahnhof einmündet und somit nicht als Entlastungsstrecke in der Relation Hanau - Gießen dienen kann.

Trotzdem sind die Städte Lich, Hungen, Nidda und Büdingen wichtige kleine Landstädte, die einiges Aufkommen im Personenverkehr haben und zumindest früher (teilweise auch heute noch) ein ordentliches Aufkommen im Güterverkehr aufzuweisen hatten.

Wegen der nur regionalen Bedeutung der Bahnlinie unterblieben bisher größere Investitionen. Deshalb gibt es hier fast durchgängig noch eine gut besetzte Telegrafenleitung neben dem Gleis, außerdem sind sämtliche Bahnhöfe mit Formsignalen ausgerüstet und verfügen über alte, sehr stilvolle Stellwerke. Eine Besonderheit bietet die Blockstelle Pfahlgraben zwischen Lich und Garbenteich in Höhe der Kreuzung mit der Autobahn BAB 5. Hier finden regelmäßig werktags vier und samstags zwei Zugkreuzungen statt, ohne daß hier ein- oder ausgestiegen werden kann. Das ist nicht etwa ein im Reiseverkehr aufgelassener Bahnhof, sondern die Betriebsstelle diente nie anderen Zwecken, ist also eine Rarität im deutschen
Streckennetz.

Früher gab es in Stockheim, Nidda und Hungen kleine BW-Anlagen mit Lokschuppen und Drehscheibe, heute werden hier die Garnituren über Nacht und z.T. auch über das Wochenende im Freien abgestellt.

Der Verkehr am Wochenende wurde bereits vor Jahren aufgegeben, seit 1996 fahren jedoch an Samstagen wieder Züge von Gießen bis Hungen, eine Verlängerung dieser Leistungen bis Nidda ist im Gespräch.

Zum Einsatz kamen bis zum Jahr 2000 sehr unterschiedliche Garnituren mit den Baureihen 212, 215, 216 oder 628, wobei die Triebwagen leicht überwogen. Die lokbespannten Züge (vorwiegend Silberlinge) wurden zum Teil als Wendezüge gefahren. Seit 2000 kommen fast ausschließlich Triebwagen des Typs GTW 2/6 der Butzbach-Licher Eisenbahn zum Einsatz, nur ein abendlicher Zug von Gießen nach Stockheim und ein Frühzugpaar Stockheim - Gelnhausen verkehrt mit DB-628.

Im Güterverkehr wurde die Bedienung von Büdingen Ende 2001 und Oberwiddersheim Ende 2002 aufgegeben. Nur noch Nidda hat ein gutes Güteraufkommen (Anschluß Hornitex). Also verkehrt nur auf dem Abschnitt von Gießen über Hungen nach Nidda noch ein vormittägliches Güterzugpaar. Die geschlossenen Gütertarifpunkte Oberwiddersheim (Anschluß Hartbasaltwerke Nickel, eigene Werkslok) und Büdingen (Holzverladung, teilweise Militärverkehr) werden nur noch sporadisch nach vorheriger Vereinbarung bedient, teilweise mit Privatloks als Ganzzüge.

Interessante Fotostandpunkte bietet die Strecke sehr reichlich. Als Motive dienen die meist recht großzügig angelegten Bahnhöfe mit ihren interessanten Gebäuden, Stellwerken und Formsignalen. Die Bahn führt durch landschaftlich sehr reizvolles Gebiet. Bei Büdingen und Ranstadt gibt es längere Tunnels. Zugkreuzungen an der Blockstelle Pfahlgraben sind fotografisch recht schwer umzusetzen.
 

4. Die Bahnlinie Friedrichsdorf - Friedberg

Die Bahnstrecke Friedrichsdorf - Friedberg wurde zum 15. Juli 1901 in Betrieb genommen. Bereits wenig später wurde die Bahn aus militärischen Gründen in eine Hauptbahn umgewandelt und zweigleisig ausgebaut. Diese Arbeiten waren 1912 abgeschlossen. Nun konnten Güterzüge aus Richtung Berlin über Bebra, Bad Hersfeld, Alsfeld, Mücke, Hungen und Friedberg das Rhein-Main-Gebiet und die Westfront erreichen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das zweite Gleis nicht mehr benötigt und bis 1968 abgebaut. Obwohl auch heute die Bahnlinie von Friedrichsdorf nach Friedberg noch eine Entlastung der Main-Weser-Bahn bringen könnte und zeitweise Umleitungszüge fuhren, unterblieb bisher die Elektrifizierung der Strecke.

Die Bahn dient heute ausschließlich dem lokalen Verkehr, es fahren stündlich (im Berufsverkehr im halbstündlich) Regionalbahnzüge. Sie bestanden bis 1998  aus einer 212 oder 216 mit Wendezug oder aus einem Triebwagen der Baureihe 628. Danach übernahn zunächst die Frankfurt-Königsteiner Eisenbahn mit angemieteten LVT/S und ein Jahr später die Butzbach-Licher Eisenbahn mit GTW 2/6 den Personenverkehr. Güterverkehr auf der Bahnlinie gibt es seit 2000 nicht mehr. Bis dahin wurde noch bedarfsweise der Anschluß Rewe bei Rosbach und der Bahnhof Friedrichsdorf von Friedberg aus bedient.

Die Strecke wurde 2001/02 modernisiert. Im Zuge dieser Arbeiten wurde Rosbach wieder zum Kreuzungsbahnhof ausgebaut, außerdem ist im Friedberger Industriegebiet ein neuer Haltepunkt Friedberg Süd eingerichtet worden. Dafür wurde der bisherige Kreuzungsbahnhof Rodheim zum Haltepunkt zurückgebaut. Im April 2002 wurde der Fahrplan verstärkt und auch der Wochenendverkehr wieder aufgenommen.

An der Bahn existieren einige interessante Fotostellen. Besonders erwähnenswert ist der Abschnitt zwischen Friedberg und Rosbach, wo u.a. eine Feldwegebrücke mit alten Nußbäumen steht.
 

5. Bahnlinie Friedberg - Nidda/Hungen

Bereits seit 26. Mai 1888 bestand eine Nebenbahn von Nidda nach Schotten und seit 1. Juni 1890 eine solche von Hungen nach Laubach. Die Weiterführung dieser Bahnen bis zur Kreisstadt Friedberg war daher nur konsequent. Die Bahnstrecken von Friedberg über Beienheim nach Nidda und von Beienheim nach Hungen wurden gemeinsam am 1. Oktober 1897 eröffnet und erschließen zentrale Teile der Wetterau.

Die Nebenbahn von Nidda nach Schotten, die teilweise mitten auf der Straße durch die Orte Kohden und Ober-Schmitten führte, wurde bereits 1959 (Personenverkehr) und 1960 (Güterverkehr) stillgelegt.

Markantes Bauwerk der Bahnen ist die Brücke über die Usa bei Friedberg, unmittelbar neben dem Rosental-Viadukt der Main-Weser-Bahn. Anfangs wurde hier eine Eisenträgerbrücke errichtet. Später begann man, die Strecke zwischen Friedberg und Hungen für zweigleisigen Betrieb umzubauen, und es entstand für die Nebenbahn ein Viadukt aus Buntsandstein. Bis Beienheim hat auch zeitweise zweigleisiger Betrieb stattgefunden, darüber hinaus wurde nur der Damm für das zweite Gleis errichtet.

Im Raum Wölfersheim wurde früher Braunkohle gefördert. Infolge des Braunkohlenbergbaus wurde die Hungener Strecke zum 10. Juni 1968 zwischen Berstadt-Wohnbach und Obbornhofen-Bellersheim auf eine neue Trasse umgelegt, wobei der ortsnahe Bahnhof Obbornhofen-Bellesheim verlegt werden mußte und weit abseits der Orte als Haltepunkt neu errichtet wurde. Mangels Bedarfs halten hier seit einigen Jahren keine Züge mehr.

Im Jahre 1912 ging in Wölfersheim ein Kraftwerk auf Braunkohlenbasis in Betrieb, welches 1929 durch ein Schwelkraftwerk ersetzt wurde. Die Schwelprodukte (Teer, Benzol, Heizöl) wurden in langen Kesselwagenzügen hauptsächlich nach Mitteldeutschland abgefahren. Als die Schwelprodukte nach dem Krieg nicht mehr abgesetzt werden konnten, wurde im Jahre 1954 schließlich ein modernes Braunkohlenkraftwerk in Betrieb genommen, welches bis zur Auskohlung der Gruben im Jahre 1991 in Betrieb war. Werksbahnen der PreussenElektra Wölfersheim

Ein weiteres, kleineres Braunkohlenbergwerk wurde bei Bad Salzhausen betrieben und verlud am ehemaligen Bahnhof Geiß-Nidda in die Bahn. 1950 wurde der Betrieb endgültig eingestellt.

Bei Grund-Schwalheim hatte früher der Römerbrunnen einen eigenen Gleisanschluß. Ab 1982 sorgte hier eine Müllumladestation für Güteraufkommen, die aber seit Jahresende 1995 nicht mehr über die Schiene verlädt. Eine Werkslok ist dort aber noch immer vorhanden.

Die Bahnhöfe Beienheim und Wölfersheim-Södel sind noch heute besetzt und mit Formsignalen ausgestattet, während in Reichelsheim und Echzell nur Trapeztafeln stehen und die Zugkreuzungen vom Zugpersonal abgewickelt werden.

Auf den Bahnen werden seit 1999 überwiegend moderne Triebwagen des Typs GTW 2/6 der Butzbach-Licher Eisenbahn eingesetzt. Daneben verkehren recht fotogene, durchlaufende Züge von Frankfurt über Friedberg nach Nidda mit Baureihe 218. Bis 1999 wurden Loks der Baureihen 212 oder 216, teilweise mit Wendezügen, und Triebwagen der Baureihe 628 eingesetzt.

Die beiden Nebenbahnen in der Wetterau bieten mannigfache Fotomotive. Im Gegensatz zu manch anderen Bahnstrecken gibt es hier kaum parallel zu den Gleisen verlaufende Hecken oder sonstigen Bewuchs. Besonders schöne Streckenabschnitte finden sich auf  dem Niddaer Ast bei Bad Salzhausen und Geiß-Nidda sowie bei Häuserhof. Landschaftlich ebenso reizvoll ist es zwischen Gettenau-Bingenheim und Reichelsheim, wo ein Naturschutzgebiet (der dortige Aussichtsturm ist ein guter Fotostandpunkt) durchquert wird. Zwischen Reichelsheim und dem fotogenen Bahnhof Beienheim führt die Bahn gut fotografierbar parallel zur Straße. Interessant ist auch der Aufstieg aus dem Wettertal vor Friedberg von der Straßenbrücke der Bundesstraße 455 aus.

Der Streckenabschnitt von Wölfersheim nach Hungen ist aufgrund des geringen Reisendenaufkommens am 4. April 2003 letztmals von Reisezügen befahren worden, seitdem ist die Strecke ohne Verkehr.
 

6. Bahnlinie Hungen - Laubach

Zum 1. Juni 1890 wurde die Bahnstrecke von Hungen nach Laubach in Betrieb genommen und zum 1. Oktober 1903 von Laubach nach Mücke an der Hauptbahn Gießen - Fulda verlängert. In Villingen zweigte seit 1890 eine meterspurige Industrieanschlußbahn zur Friedrichshütte ab. Zum 1. April 1899 wurde diese Anschlußbahn in eine normalspurige Güterbahn umgewandelt und ab 1907 auch im Personenverkehr bis Ruppertsburg bedient. Im Jahre 1959 wurde der Personenverkehr auf dem gesamten Hungener Netz und gleichzeitig der Güterverkehr von Hungen nach Mücke und von Villingen nach Ruppertsburg eingestellt.

Danach lief noch ein bescheidener Güterverkehr von Hungen nach Laubach mit einer Kleinlok, wobei hier hauptsächlich die Eisengießerei Winter bedient wurde. Als sich die Firma Dexion in den siebziger Jahren in Laubach ansiedelte, nahm der Güterverkehr stark zu. Nun verkehrte eine 212 oder 216 mit dem werktäglichen Güterzug. Zum Jahresende 1996 wurde der umfangreiche Stückgutverkehr zur Firma Dexion auf die Straße verlegt, so daß danach nun nur noch jeden zweiten Werktag ein Güterzug mit Baureihe 365 nach Laubach verkehrte. 1999 wurde der Güterverkehr eingestellt und die Strecke stillgelegt. Die Gleise liegen noch, die Anschlußweiche in Hungen ist aber ausgebaut.
 

7. Die Niddertalbahn Bad Vilbel - Stockheim

Bereits am 1. September 1888 war eine Nebenbahn von Stockheim nach Gedern in Betrieb gegangen. Es lag nahe, diese durch das Niddertal in Richtung Frankfurt aus weiterzuführen. Am 1. Oktober 1905 konnte der Abschnitt von Stockheim nach Heldenbergen-Windecken in Betrieb genommen werden, zum 1. Juni 1907 war auch der Restabschnitt bis Bad Vilbel betriebsbereit. Während gerade diese Bahn im Personenverkehr große Bedeutung gewann, wurde die Strecke von Stockheim nach Gedern bereits 1975 im Personenverkehr und 1984 im Güterverkehr stillgelegt.

Auf der Niddertalbahn findet heute kein mehr Güterverkehr statt. Früher hatte es von Altenstadt ausgehend eine längere Anschlußbahn zu einem Gewerbegebiet bei Rommelhausen gegeben, und auch der herbstliche Rübenverkehr spielte im Niddertal eine besondere Rolle.

Zum Berufsverkehr gibt es heute ein gutes Zugangebot im Halbstundentakt mit durchgehenden Zügen bis Frankfurt Hbf. Zu den übrigen Zeiten verkehren die Züge im Stundentakt. Die lokbespannten Züge werden mit Dieselloks der Baureihe 218 und Doppelstockwagen gebildet und fahren als Wendezüge. Ein Zug besteht aus einer Silberling-Garnitur mit Lok BR 215. Daneben verkehren weitere Züge als Triebwagen mit Baureihe 628.

Zugkreuzungen finden außer in Heldenbergen-Windecken nur noch in den Bahnhöfen Niederdorfelden und Altenstadt statt, die mit Formsignalen ausgerüstet und mit einem Fahrdienstleiter besetzt sind. Die Bahnhöfe Büdesheim und Eichen werden dagegen für Kreuzungen nicht mehr benötigt und sind in einen Dornröschenschlaf gefallen, d.h. die Gleise sind inzwischen völlig mit Gestrüpp überwuchert.

Die Bahn wird zur Zeit modernisiert. Der Oberbau wurde auf langen Streckenabschnitten bereits erneuert und in den Haltepunkten wurden neue Bahnsteige angelegt. Nur auf den Kreuzungsbahnhöfen Niederdorfelden und Altenstadt hat sich diesbezüglich noch nichts getan. Künftig soll auch der Wochenendverkehr wieder aufgenommen werden.

Das Fotografieren der Züge auf dieser Strecke ist nicht so einfach. Fotografisch umsetzbar sind jedoch die Zugkreuzungen in Niederdorfelden und Altenstadt. Bei Büdesheim existiert ein kurzer Tunnel, der für Züge im dortigen Bahnhof einen guten Hintergrund bildet und von dem auch der Bahnhof gut fotografiert werden kann. Im Frühjahr hat sich bei Hochwasser oft das gesamte Niddertal in eine große Seenlandschaft verwandelt, durch die auf einem Damm die Bahn fährt. Auch dies ergibt dann schöne Fotomotive. Die Lok steht bei den Wendezügen in der Regel Richtung Bad Vilbel.
 

8. Die Butzbach-Licher Eisenbahn

Nach der Jahrhundertwende entstand von dem Landstädtchen Butzbach ausgehend ein großes Privatbahnnetz. Am 28. März 1904 wurde die Stammstrecke von Butzbach über Griedel nach Lich eröffnet und am 1. August 1909 bis Grünberg verlängert. Zum 1. Mai 1909 wurde von Griedel ausgehend die Strecke Richtung Bad Nauheim bis Rockenberg fertigestellt und ab 2. April 1910 fuhren die Züge durchgehend bis Bad Nauheim. Schließlich folgte in Richtung Taunus zum 13. Mai 1910 die Eröffnung der Strecke von Butzbach nach Ebergöns, und zum 1. Juni 1910 konnte hier bis Oberkleen gefahren werden.

Die Butzbach-Licher Eisenbahn war eine reine Erschließungsbahn. Es wurden überwiegend landwirtschaftliche Produkte befördert. Ein Großteil des Güterverkehrs wurde während der Rübenkampagne im Herbst abgewickelt. Daneben gab es im Raum Queckborn, Ettingshausen und Oberkleen Steinbrüche und bei Gambach Sandgruben. Größere Überschüsse erwirtschaftete der Bahnbetrieb nie, und so wurde die Strecke von Lich nach Grünberg bereits 1953 stillgelegt. 1956 folgte der Personenverkehr nach Oberkleen und 1968 auch der Güterverkehr von Pohl-Göns nach Oberkleen. Auf der Stammstrecke von Griedel nach Lich wurde 1961 der Personenverkehr eingestellt, und auch der Güterverkehr läuft heute nur noch bis Münzenberg. Zwischen Butzbach und Bad Nauheim endete 1975 der Personenverkehr. Heute wird nur noch die Strecke Butzbach - Griedel - Münzenberg und innerhalb Butzbachs der Abschnitt bis Butzbach-Nord am Pohl Gönser Ast bedarfsweise im Güterverkehr bedient. Auf den Strecken Griedel - Bad Nauheim und Butzbach Nord - Pohl Göns ruht nach Auflösung aller Gütertarifpunkte im Jahre 2001 der Güterverkehr. Hier führen nur noch die Eisenbahnfreunde Wetterau zwischen Bad Nauheim und Münzenberg an bestimmten Wochenenden einen Museumsbahnverkehr durch, ansonsten liegt die Strecke still.

Die Strecken der BLE sind zur Zeit wieder stark stillegungsgefährdet, da ein 1998 zwischen den Kommunen, dem Kreis und der BLE abgeschlossener Vertrag zur Streckenunterhaltung Ende 2002 endete. Bis Mitte 2003 ist der Güterverkehr im bisherigen Umfang jedoch gesichert. Im Falle einer Stillegung würde der Anschluß zur Firma Butzbacher Weichenbau in Butzbach Nord von DB Cargo bedient. Auch die Strecke nach Butzbach Ost wird auf jeden Fall erhalten bleiben, da dort für die Wartung der in der Wetterau auf DB-Strecken eingesetzten GTW 2/6-Triebwagen neue Werkstättenanlagen entstanden. Die anderen Streckenabschnitte (Bad Nauheim Nord - Griedel und Butzbach Ost - Münzenberg) wurden Anfang 2003 zur Übernahme an Dritte ausgeschrieben. Als neuer Betreiber haben sich die Eisenbahnfreunde Wetterau beworben, die damit ihren Museumsbahnbetrieb sichern möchten.

Heute sorgt in Münzenberg ein Holzhändler für sporadisches Frachtaufkommen. Das Quarzsandwerk in Gambach wird nicht mehr auf der Schiene bedient. Der wichtigste Kunde ist die Firma Butzbacher Weichenbau im Industriegebiet Butzbach-Nord an der Strecke nach Pohl-Göns, der meist mehrmals täglich bedient wird. Während des Baus der DB-Neubaustrecke Frankfurt - Köln 2000/2001 herrschte dort besonders hohes Aufkommen, so daß die BLE-Diesellok zumeist in zwei Schichten im Einsatz war. Bis Mitte 1997 sorgte zudem die Ayers-Kaserne der amerikanischen Streitkräfte bei Pohl-Göns, die von dort über eine lange Anschlußbahn bedient wurde, für unregelmäßiges aber hohes Frachtaufkommen. Die Panzerbrigade wurde inzwischen nach Gießen verlegt. Auf dem verkehrsgünstig gelegenen ehemaligen Kasernengelände wird die Spedition Bork ein Logistikzentrum errichten, welches auch über die Schiene bedient werden soll.

Die Butzbach-Licher Eisenbahn hält für den Güterverkehr zwei ältere Jung-Stangendiesellokomotiven (ex Siegener Kreisbahn) vor, die - außer im Rangierverkehr in Butzbach - nicht auf die DB übergehen.
 

9. Der Güterverkehr auf den Eisenbahnen in der Wetterau

Heute beschränkt sich der planmäßige Güterverkehr der DB in der Wetterau nur noch auf den Tarifpunkt Nidda. Der Zug verläßt frühmorgens Gießen und fährt bis Nidda. Gegen 8.00 Uhr erfolgt bereits wieder die Rückfahrt, wobei in Oberwiddersheim planmäßig ein Kreuzungsaufenthalt vorgesehen ist. Der Zug erreicht Gießen bereits wieder vor 10:00 Uhr.

Bis Ende 1995 verkehrten werktags mehrere mit 216 bespannte Züge zur Müll-Umladestelle Grund-Schwalheim. Die grünen ContainerWagen wurden hier von einem Vollert Rangier-Roboter bewegt (heute noch vorhanden). Diese Müllzüge verkehrten von Friedberg weiter auf der Main-Weser-Bahn über Gießen und Marburg nach Wabern.

Früher spielte auf den Eisenbahnen der Wetterau auch der Rübenverkehr eine besondere Rolle. In Friedberg gab es eine Zuckerfabrik, zu der die Rübenwagen von verschiedenen Verladebahnhöfen gelangten. Ende 1981 stellte die Aktien-Zuckerfabrik Wetterau ihren Betrieb ein, und danach wurden die Rübenwagen in Friedberg gesammelt und verkehrten als Ganzzüge zur Zuckerfabrik in Groß Gerau. Ende 1990 endete der Rübenverkehr. Von Friedberg aus wurden folgende Rüben-Verladestellen bedient: Bad Vilbel, Groß Karben, Lang Göns, Bruchköbel, Büches-Düdelsheim, Altenstadt, Büdesheim, Berstadt-Wohnbach, Echzell, Reichelsheim, Hungen, Rodheim, Bad Homburg, Münzenberg und Rockenberg.
 
 

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