Die Werksbahn des Geyseritwerks Usingen der Gewerkschaft Melzingen

Von Andreas Christopher
 

Geyserit ist die heute nicht mehr übliche Bezeichnung für Quarz. Quarz war und ist ein begehrter Rohstoff für die Porzellan-, Steingut- und Glasindustrie. Im Raum Usingen tritt solch ein Quarzgang zutage, der sich durch hohe Reinheit auszeichnet und weltbekannt ist. Am deutlichsten prägt der Quarzgang die Landschaft bei Eschbach (Eschbacher Klippen).

Im Jahre 1910 wurde erstmals im Usinger Kreisblatt über diesen Quarzgang berichtet. Bereits am 10.06.1912 bat die Gewerkschaft Melzingen zu Usingen (mit Hauptsitz in Gotha) um eine staatliche Genehmigung zum Erwerb von Grundstücken, um einen Steinbruch einzurichten. Im Ersten Weltkrieg war dann bereits der Quarz-Abbau am Unterstrütchen in der Gemarkung Eschbach durch das Geyseritwerk Usingen der Gewerkschaft Melzingen sowie am Dörrberg in der Gemarkung Cransberg durch das Geyseritwerk der Gewerkschaft Dörrberg voll im Gange.

Geschichte der Werksbahn

Beide Brüche litten jedoch unter der abseitigen Lage und konnten wegen ungeeigneter Transportmittel nur einen kleinen Teil des Bedarfes liefern. Zur Jahrhundertwende gab es zwar Planungen für eine Eisenbahn von Bad Nauheim durch das Usatal nach Usingen, die aber nicht verwirklicht wurden. Mit dieser Bahnverbindung, die direkt am Werk vorbeigeführt hätte, hat aber die Gewerkschaft Melzingen gerechnet und so nach eigenen Angaben bis 1917 bereits über eine Million Mark in die Werksanlagen investiert. Am 05.04.1917 fragte daher die Gewerkschaft Melzingen beim Landratsamt Usingen wegen des Baus einer Schmalspurbahn vom Geyseritwerk in der Nauheimer Straße bis zum Staatsbahnhof Usingen an und argumentierte, daß Geyserit ein kriegswichtiges Matierial sei.

Die Argumentation zeigte Wirkung. Die Pläne wurden bei den Behörden wohlwollend aufgenommen. Daraufhin erarbeitete das Ingenieurbüro Winkelmann in Wiesbaden detaillierte Pläne für die Schmalspurbahn, diese wurden zusammen mit einem Erläuterungsbericht am 29.10.1917 bei den Behörden eingereicht. Im Landratsamt wurden diese Unterlagen dann am 12.02.1918 geprüft und genehmigt. Die amtliche Genehmigungs-Urkunde vom Regierungspräsidenten datiert vom 02.10.1919. Nun stand dem Bau der Förderbahn nichts mehr im Weg.

Da zum Zeitpunkt der Genehmigung der Erste Weltkrieg bereits vorbei war, hatte man es nun mit der Eröffnung nicht mehr so eilig. Die deutsche Wirtschaft darbte. Am 07.09.1922 fragte der Landrat an, "bis wann etwa die Bahnanlage fertig gestellt ist und die Inbetriebnahme erfolgen soll". Ein Jahr später scheint die Bahn dann endlich fertig gestellt gewesen zu sein, da am 08.01.1923 die Erlaubnis der Betriebseröffnung erteilt wurde. Allerdings waren an der Förderbahn noch Restarbeiten zu erledigen, die am 09.02.1923 zu einem Katalog von 30 Beanstandungen Anlaß boten.

Ein Teil dieser Mängel scheint auch in den folgenden Jahren nicht abgestellt worden zu sein, denn der Magistrat der Stadt Usingen teilte dem Landrat am 13.12.1926 mit, daß angedrohte Zwangsmaßnahmen gegen die Firma infolge der völligen Verpfändung der gesamtan Anlage und Einrichtung zwecklos sein dürften. Der Absatz der Produkte des Geyseritwerks Usingen war in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten rapide zurückgegangen, und zusätzlich hatte die Inflation die Firma fast in den Ruin getrieben.

Zwischen dem 30.10.1926 und dem 05.03.1927 verkehrte die Förderbahn deshalb nur an einzelnen eigens vom Landrat genehmigten Tagen. Am 08.07.1927 findet sich dann der Vermerk: "Die Bahnanlage ist abgebaut worden, die betreffende Strecke ist als Straße ausgebaut."

Die Firma förderte zwar weiterhin hochwertiges Quarz, aber in stark verringertem Umfang. Die Zeiten, daß täglich hunderte von Tonnen befördert werden mußten, waren jedenfalls vorbei, und man spezialisierte sich auf wenige, aber hochwertige Spezialprodukte, die dann mit dem LKW abtransportiert werden konnten. Bis heute besteht das Werk, jetzt unter dem etwas irreführenden Namen "Bremthaler Quarzitwerk", da nur im Hauptwerk in Bremthal Quarzit, in Usingen aber Quarz gefördert wird. Lange Jahre ging der Großteil des Absatzes an das Glaswerk Schott in Mainz, das daraus hochwertige Spezialgläser, z.B. für Sternwarten, herstellte.

Die Bahnanlage

Die Förderbahn hatte eine Spurweite von 900 mm, da bei der Planung während des Ersten Weltkrieges nur schwer an Fahrzeugmaterial von 750 oder 1000 mm zu gelangen gewesen wäre. Und eine Spurweite von 600 mm kam wegen der starken Steigungen und der geforderten Leistungsfähigkeit nicht in Betracht. Die größte Steigung auf der freien Strecke betrug 1:28, der kleinste Bogenhalbmesser 40 m.

Die Bahn begann an der östlichen Seite des Bahnhofs Usingen. Hier, gegnüber dem Raiffeisen-Lagerhaus, sind auch heute noch die Reste der gemauerten Rampe sichtbar, auf der die hölzernen Kipper standen und sich ihrer Ladung in die auf dem etwas tiefer liegenden Ladegleis bereitstehenden Staatsbahn-Güterwagen entledigten. Die Strecke kreuzte bald darauf die Bahnhofstraße in spitzem Winkel und führte dann durch heutiges Baugebiet bis zur Bezirksstraße Bad Homburg - Usingen (heute B456). Hier in Höhe des heutigen Autohändlers Erlenhof kreuzte die Bahn die Bezirksstraße und verlief neben dieser bis zur Einmündung in die Bezirksstraße Bad Nauheim - Usingen (heute B275). Hier bog die Bahn nach rechts ab und führte neben dieser Straße zunächst auf der südlichen, später der nördlichen Seite her, bis in km 3,9 der Anschluß zur Gewerkschaft Dörrnberg abzweigte. Dieser Anschluß kreuzte wieder die Straße und endete an Fuß einer Bremsberganlage. Das Hauptgleis lief dagegen weiter auf der nördlichen Straßenseite und gelangte bei km 4,2 in das Werksgelände des Geyseritwerks. Dort gab es mehrere Ladegleise und einen Lokschuppen.

Der Anschluß der Gewerkschaft Dörrnberg wurde jeweils auf der Fahrt vom Geyseritwerk zum Bahnhof Usingen bedient.

Quelle:
Baeumerth, Karl: mit Volldampf durch die Blücherstraße, in: 1200 Jahre Usingen [Hrg. Magistrat der Stadt Usingen], Usingen 2001
 
 

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